Stecci

Mittelalterliche Grabsteine

ALLGEMEINES

Zeitraum:

Stećci wurden hauptsächlich vom 12. bis zum 16. Jahrhundert genutzt, wobei ihr Höhepunkt im 14. und 15. Jahrhundert lag.

Die frühesten stećci tauchten im 12. Jahrhundert auf. In dieser Zeit begann die Praxis, Grabsteine mit markanten, meist einfachen geometrischen Formen zu errichten. Diese frühen stećci waren oft wenig verziert und zeigten einfache Symbole wie Kreuze oder geometrische Muster.

Zum Höhepunkt der Nutzung im 14. und 15. Jahrhundert wurden die Grabsteine zunehmend komplexer und reichhaltiger verziert. Diese Periode war geprägt von politischen und sozialen Veränderungen in der Region, einschließlich der Herrschaft des Bosnischen Königreichs und der späteren Expansion des Osmanischen Reiches. Die Gravuren und Inschriften auf den stećci dieser Zeit spiegeln eine Mischung aus christlichen (sowohl orthodoxen als auch katholischen) Symbolen und lokalen, oft heidnischen, Traditionen wider.

Es gibt auch Einflüsse der Bogomilen, einer gnostischen religiösen Gruppe, die in der Region aktiv war und möglicherweise die Gestaltung und Symbolik der stećci beeinflusst hat.

Im 16. Jahrhundert begann der Brauch, stećci zu errichten, allmählich abzunehmen, was auf verschiedene Faktoren zurückzuführen ist, einschließlich der osmanischen Eroberung und der damit einhergehenden kulturellen und religiösen Veränderungen.

Die osmanische Herrschaft führte zu einer Veränderung in den Bestattungspraktiken und einer allmählichen Abnahme der Errichtung von stećci, da islamische Bestattungsrituale an Bedeutung gewannen.

 

Verbreitungsgebiet:

Insgesamt gibt es etwa 70.000 bekannte Stećci, die über mehr als 3.300 Fundorte verteilt sind. Sie finden sich in Bosnien und Herzegowina, Serbien, Kroatien und Montenegro.

Bosnien und Herzegowina: Die größte Konzentration von stećci befindet sich in Bosnien und Herzegowina, insbesondere in den Regionen Zentralbosnien und Herzegowina. Bekannte Fundorte sind Radimlja bei Stolac, das Tal des Neretva-Flusses, und das Gebiet um Konjic.

Kroatien: In Kroatien sind stećci hauptsächlich im dalmatinischen Hinterland und in der Region Lika zu finden. Wichtige Fundorte sind Cista Provo, Velika und Mala Crljivica in der Nähe von Imotski.

Montenegro: In Montenegro konzentrieren sich stećci vor allem im Norden des Landes, in den Regionen um Pljevlja, Žabljak, und die Gebiete entlang des Tara-Flusses.

Serbien: In Serbien sind stećci seltener, aber sie kommen in den westlichen Teilen des Landes vor, insbesondere in der Region um Bajina Bašta und Priboj.

 

Lage:

Stećci sind oft in malerischen Landschaften zu finden, die eine gewisse Erhabenheit und Abgeschiedenheit bieten. Sie befinden sich häufig auf Hügeln, in Tälern und an anderen markanten geographischen Punkten, die eine symbolische Bedeutung für die damaligen Gesellschaften gehabt haben könnten.

Die Verteilung der stećci spiegelt die politischen und kulturellen Grenzen des mittelalterlichen Balkans wider. Während der Blütezeit des Bosnischen Königreichs wurden viele der stećci errichtet, was die politische und kulturelle Bedeutung des Königreichs unterstreicht.

Die Verbreitung über mehrere heutige Länder zeigt die historische Vernetzung und die gemeinsamen kulturellen Praktiken der südslawischen Völker in dieser Region.

 

 

Erscheinungsformen:

Die stećci kommen in verschiedenen Formen und Typen vor.

Platten (Ploca): Flache, rechteckige Steine, die direkt auf dem Boden liegen.

Kistenförmige (Sanduk): Blockartige Steine mit einem rechteckigen Querschnitt, die auf der Oberfläche des Bodens liegen oder leicht erhöht sind.

Giebelsteine (Sljemenjak): Diese haben ein dachähnliches, spitzes oder gewölbtes Oberteil, das an ein Satteldach erinnert.

Kreuzförmige (Krstaci): Grabsteine in der Form eines Kreuzes, die oft aufrecht stehen.

Dekoration:

Die dekorative Elemente sind:

Reliefs: Die stećci sind oft mit Reliefs geschmückt, die in die Steinoberfläche eingemeißelt wurden. Diese Reliefs variieren in ihrer Komplexität und umfassen verschiedene Motive.

Geometrische Muster: Häufige Motive sind Spiralen, Rosetten, Kreise, und Linienmuster, die oft symmetrisch angeordnet sind.

Floral- und Pflanzenmotive: Blumen, Blätter und Bäume sind häufig dargestellte Elemente, die möglicherweise symbolische Bedeutungen haben, wie Leben, Tod und Wiedergeburt.

Menschenfiguren: Darstellungen von Menschen in verschiedenen Posen und Aktivitäten, wie Jagen, Tanzen oder Beten. Diese Figuren können auch die Verstorbenen selbst oder wichtige Persönlichkeiten darstellen.

Tiere: Abbildungen von Tieren wie Pferden, Löwen, Hirschen und Vögeln sind weit verbreitet. Diese Tiere könnten symbolische Bedeutungen haben oder auf den sozialen Status und Beruf des Verstorbenen hinweisen.

Szenen des Alltagslebens: Jagdszenen, Tänze und Ritterturniere sind häufige Themen. Diese Darstellungen geben Einblick in das gesellschaftliche Leben und die Bräuche der damaligen Zeit.

Kreuze: Verschiedene Formen von Kreuzen sind weit verbreitet und spiegeln die christlichen Einflüsse wider.

Sonnen- und Mondsymbole: Diese Symbole könnten auf heidnische Einflüsse hinweisen oder kosmologische Vorstellungen der mittelalterlichen Gesellschaft darstellen.

 

Die verwendeten künstlerischen Techniken sind:

Flachrelief: Eine Technik, bei der die Motive nur leicht aus dem Hintergrund hervortreten.

Hochrelief: Hierbei sind die Darstellungen stärker hervorgehoben und wirken plastischer und dreidimensionaler.

Gravuren: Feine Linien und Details, die in die Steinoberfläche eingraviert sind, um komplizierte Muster und Texte darzustellen.

 

Inschriften:

 

Epitaphien: Viele stećci tragen Inschriften, die Informationen über die Verstorbenen, einschließlich Namen, Titel, und manchmal auch Lebensereignisse oder Tugenden, enthalten.

Schriftarten: Die Inschriften sind meist in der bosnischen kyrillischen Schrift verfasst, die im mittelalterlichen Bosnien und in der Herzegowina verwendet wurde. Einige Inschriften sind in lateinischer Schrift verfasst, insbesondere in den Regionen, die näher an den katholischen Einflüssen standen.

 

Inhalt der Inschriften:

Namen der Verstorbenen: Die Inschriften enthalten oft den Namen des Verstorbenen, manchmal zusammen mit Angaben zu seinem Beruf, Titel oder sozialem Status.

Lebensdaten: Einige Inschriften geben das Geburts- und Sterbejahr des Verstorbenen an, was wertvolle Informationen für die historische Forschung bietet.

Epitaphien: Diese sind kurze Texte, die oft in poetischer oder prosaischer Form verfasst sind und das Leben und die Tugenden des Verstorbenen beschreiben. Sie können auch religiöse Gebete, Segenssprüche oder philosophische Reflexionen über Leben und Tod enthalten.

Erbauungsinschriften: Einige Inschriften geben Informationen über den Errichter des Grabsteins, sei es ein Familienmitglied, ein Freund oder ein Gemeinschaftsmitglied.

 

Viele Inschriften sind in einem poetischen Stil verfasst, mit Reimen und rhythmischen Strukturen, die sie nicht nur informativ, sondern auch ästhetisch ansprechend machen.

Religiöse Formulierungen und Symbole sind weit verbreitet, einschließlich Aufrufen an Gott, Gebeten für das Seelenheil und Segenssprüchen.

 

Symbolik und Bedeutung der Inschriften:

Persönliche und soziale Identität: Die Inschriften spiegeln die Identität und den sozialen Status des Verstorbenen wider. Titel wie “Vojvoda” (Herzog) oder “Knez” (Fürst) deuten auf eine hohe soziale Stellung hin.

Religiöse Überzeugungen: Die religiösen Texte und Symbole auf den stećci geben Einblicke in die religiösen Überzeugungen und Praktiken der mittelalterlichen Gesellschaft im westlichen Balkan. Sie zeigen eine Mischung aus orthodoxen, katholischen und möglicherweise bogomilischen Einflüssen.

Historische und kulturelle Bedeutung:

Die Inschriften bieten wertvolle Informationen über die soziale Struktur, die kulturellen Praktiken und die religiösen Überzeugungen der mittelalterlichen Gesellschaft im westlichen Balkan. Sie sind wichtige historische Quellen, die Forschern helfen, die politische und kulturelle Geschichte der Region zu rekonstruieren.

Im Jahr 2016 wurden ausgewählte stećci-Stätten in Bosnien und Herzegowina, Kroatien, Montenegro und Serbien in die Liste des UNESCO-Welterbes aufgenommen.